Kennt ihr die Vick-Hunde? Ich erzähle euch eine wahre Geschichte, die Gänsehaut und Entsetzen hervorrufen wird, aber ein – bittersüßes – Happyend hat.
Michael Vick ist ein amerikanischer Football-Star. Er konnte auf keiner Straße entlang gehen, ohne um Autogramme gebeten zu werden. Für Nike joggte er durchs Fernsehen, jedes Kind kannte seinen Namen. 2006 war er der höchst bezahlte NFL-Spieler.
Doch er hatte eine dunklere Seite, die per Zufall ans Licht kam. 2007 wurde Vicks Cousin wegen Drogenmissbrauch verhaftet, und darum wurde Vicks Anwesen in Virginia durchsucht. Die Polizei fand braun gestrichene Holzschuppen und darin angekettet 49 Pitbulls, teils verletzt und voller Narben, viele unterernährt. Sie fand eine blutgetränkte Arena.
Michael Vick hatte mit Freunden Hundekämpfe veranstaltet. Die Einsätze waren im Tausender-Bereich. Er war ein eingetragener Züchter und nannte seinen Kennel „Bad Newz“, schlechte Nachrichten.
Jene Hunde, die in den Kämpfen verloren, wurden mit Wasser übergossen und mit Elektroshockern tracktiert, bis sie starben. Sie wurden ertränkt, ihr Kopf wurde von Vick so oft auf den Boden geschlagen, bis sie starben. Sie wurden erschossen, sie wurden an Bäumen aufgehängt, bis sie starben. Das weiß man, weil die Leichen auf dem Gelände ausgegraben wurden.
Michael Vick leugnete jede Beteiligung. Doch die Beweislast war erdrückend, und kurz vor Schluss unterschrieb der Athlet ein Geständnis. Von einigen seiner Sportskollegen wurde er verteidigt, Clinton Portis sagte, Hundekämpfe würden zum ganz normalen Leben gehören. (http://aldf.org/resources/laws-cases/animal-fighting-case-study-michael-vick/). Auch die Verteidigung zielte darauf ab: Vick und Co. seien in einem Milieu aufgewachsen, wo Hundekämpfe ein typischer Sport seien. Doch die Öffentlichkeit war in Aufruhr. Richter Hudson verhängte eine nie dagewesen hohe Strafe für die Vergehen: 23 Monate in Haft, 3 Jahre Bewährung, 5000 US Dollar Geldstrafe. Hudson sagte: „Sie dachten vielleicht, das wäre sportlich, aber es war gefühllos und grausam.“ (http://en.wikipedia.org/wiki/Bad_Newz_Kennels_dog_fighting_investigation)
Normalerweise werden in solchen Fällen alle Hunde beschlagnahmt und – sobald ein Urteil gesprochen ist und die Beweise nicht mehr gebraucht werden – getötet. Bei den Vick-Hunden jedoch entbrannte durch die mediale Aufmerksamkeit eine hitzige Debatte. Zahllose Hundetrainer sprachen sich für eine Einschläferung aus, selbst PETA verkündete, dass die Hunde gefährlich seien, und man sie von ihrem Leid befreien müsse (http://www.peta.org/blog/one-fight-vicks-dogs/). Tickende Zeitbomben wurden sie genannt. Doch Richter Hudson ging auch hier neue Wege: Er berief eine Patronin, die Tierrechtlerin Rebecca Huss. Sie sagte: „Es ist mir eine Ehre, jene zu vertreten, die das Herz dieses Falles sind: die Hunde.“
49 Hunde hatte man beschlagnahmt. Eine Hündin wurde eingeschläfert, weil sie sich von niemandem anfassen ließ, ein weiterer Hund war so krank und verletzt, dass er ebenfalls eingeschläfert wurde. 47 Hunde blieben. Ein Jahr waren sie nun schon in staatlichen Zwingern, und Rebecca Huss ließ jeden einzelnen begutachten. „Ich dachte, wir hätten Glück , wenn wir zumindest vier oder fünf Hunde retten könnten“, sagte Randy Lockwood, einer der beauftragten Hundetrainer. „Wenn wir die Mehrheit hätten einschläfern müssen, hätten wir zumindest sagen können, wir haben es versucht.“ Aber es kam anders. Sie bekamen Namen. Und ein Leben.
Viele der Hunde waren so freundlich, dass sie rasch in Familien vermittelt werden konnten. Manche waren ängstlich, blühten aber in der Gesellschaft von anderen Hunden auf. Da war Leo, der so zugewandt war, dass er schon nach einem Jahr bei seiner neuen Familie ein Zertifikat als Therapiehund bekam, und an Krebs erkrankte Menschen besuchte. Marthina McClay, seine Mama, sagte: „Er, der nie Liebe erfahren hatte, schenkte Liebe.“ Leo starb im Dezember 2011 nach schwerer Krankheit.
Da ist Sweet Pea, die von Stacy Leipold aufgenommen wurde. Sweet Pea versteckte sich immer in ihrer Box oder unter dem Schreibtisch, musste zum Lösen rausgetragen werden. Doch in Begleitung ihrer neuen Geschwister, einer Deutschen Dogge und einem Jack Russell Terrier, entdeckte sie ein gutes Leben.
22 Hunde waren zu traumatisiert für ein normales Familienleben. Sie durften nach Dogtown, einem riesigen Gelände der Best Friends Animal Society in Utah (http://www.good4utah.com/story/d/story/michael-vicks-dogs-5-years-later/11522/CACF_ysMe0ShlrdqUQUprg und http://bestfriends.org/The-Sanctuary/Explore-the-Sanctuary/Dogtown/Vicktory-Dogs/). Sie wurden die Vicktory Dogs, die Siegerhunde.
Da war Georgia, der man alle Zähne gezogen hatte, damit sie den Rüden, der sie decken sollte, wenn sie im Deckstand festgeschnallt wurde, nicht wegbeißen konnte. Ihre Ohren waren kupiert, ihre Rute mehrmals gebrochen. Ihre Zunge hing seitlich raus, weil ihr Kiefer gebrochen und schief zusammengewachsen war. Georgia wurde zum Star der Vicktory Dogs, zu ihren Fans zählen Ellen DeGeneres und Larry King. 2012 durfte sie in ein richtiges Zuhause ziehen, Ende 2013 starb sie an Krebs. Sechs Jahre nach der Befreiung.
Keine Rasse hat einen so schlechten Ruf wie Pitbulls. Keine andere Rasse wird so von Menschen misshandelt wie Pitbulls. Und doch haben 47 Pitbulls ihr Gefängnis mit einem Schwanzwedeln verlassen. Was für wunderbare Hunde!
Buchtipps: Melissa McDaniel „Pit Bulls“ und Jim Gorant „The Lost Dogs“
Die Fotos zeigen die ehemaligen Vick-Hunde Leo, Sweet Pea und Teddles
Copyright: Sonja Hoegen, dogcom, September 2014